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Kriegskinder, Kriegsenkel und alte Eltern

Kriegskinder und Kriegsenkel - Was bedeutet das für dich und das Verhältnis zu deinen Eltern?

Das Thema Kriegskinder und Kriegsenkel begegnet uns immer häufiger. Doch was hat das mit dir und deinen Eltern zu tun? Die Ereignisse von damals beeinflussen dein Leben vielleicht mehr als du denkst, denn viele Konflikte mit ihnen können ihren Ursprung in dieser Zeit haben. Ich möchte dir heute etwas über die Rolle der Kriegskinder und Kriegsenkel erzählen und die gemeinsame Verstrickung in die lange zurückliegenden Kriegsereignisse. Und ich möchte dir zeigen, was du daraus für den Umgang mit deinen Eltern lernen kannst.

Kriegskinder:

Die Kinder, die zwischen 1927 – 45 geborenen wurden, werden auch als Kriegskinder bezeichnet. Bombenangriffe, der Tod von Angehörigen, Vergewaltigungen, Flucht und Vertreibung, der Verlust der Heimat und das Gefühl, als Flüchtling der letzte Dreck zu sein, unwillkommen und abgewiesen von den eigenen Landsleuten – all das hat diese Generation als Kind miterlebt.

Einige von ihnen sagen: „Zum Glück war ich damals so klein und kann mich nicht mehr daran erinnern!“ Aber sie mussten als kleines Kind schon für die eigenen Eltern stark sein und diese trösten und emotional unterstützen. Auch wurden sie noch mit der Nazi-Ideologie erzogen: Kinder muss man schreien lassen, bloß keine Zärtlichkeit oder Gefühle zeigen, abhärten!

Andere schweigen. Sie haben so grausame Dinge erlebt, dass sie es als einzigen Ausweg sahen, die schmerzhaften Erlebnisse zu verdrängen, vieles davon ist tief im Unterbewusstsein abgespeichert. Die Verdrängung führte zu einem Leben an der Oberfläche – genauer hinsehen war zu schmerzhaft. Bloß nicht zurückschauen und keine Gefühle zeigen.

Denn in der Nachkriegszeit hieß es: Trauern verboten!

Im Nachkriegsdeutschland wurde über das Erlebte nicht gesprochen. Niemand durfte über die erlittenen Verluste und zugefügten Grausamkeiten trauern. Zu groß war das Gefühl der alles überlagernden Schuld durch den von den eigenen Eltern verursachten Holocaust. Die kollektive Sprachlosigkeit fand ihr Ventil im Blick nach vorne. Sich anpassen, Neues aufbauen, Sicherheit schaffen. Materieller Wohlstand sollte alles andere vergessen machen. Und ihre Kinder sollten es einmal besser haben.

Kriegsenkel:

In dieser Atmosphäre sind die Kriegsenkel aufgewachsen. Die zwischen 1950 und 1975 Geborenen spüren die Auswirkungen der traumatischen Erlebnisse noch heute. Auch sie haben oft schon früh die Hilflosigkeit der eigenen Eltern gespürt und waren damit überfordert.

Viele von ihnen fühlten sich von ihren Eltern nie verstanden oder wirklich gesehen. Sie litten und leiden unter der Sprachlosigkeit ihrer gefühlskalten Mütter oder der emotionalen Kälte ihrer unnahbaren Väter. Die Unfähigkeit, Gefühle zu zeigen, eine übersteigerte Harmoniesucht und das Ausweichen von Konflikten waren an der Tagesordnung.

Die Kriegsenkel reagierten darauf entweder  mit  Überangepasstheit, Ehrgeiz und großem Verantwortungsgefühl oder mit Rebellion und kompletter Ablehnung der Eltern.

Sie haben sehr früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen und zwischen den Zeilen zu lesen. Viele von ihnen haben ein besonderes Gespür für zwischenmenschliche Töne, Bedürfnisse und Gefühle entwickelt. Manche haben das diffuse Gefühl, den Eltern gegenüber etwas gutmachen zu müssen oder sie für erlittene Verluste entschädigen zu wollen.

Viele Kriegsenkel entwickelten auch das Gefühl, nicht dazuzugehören, ständig mit angezogener Handbremse unterwegs zu sein, keinen eigenen Platz im Leben zu finden und keine eigenen Wurzeln zu haben. Auch haben sie selbst ein großes Bedürfnis nach Sicherheit.

Heute weiß die Traumaforschung: Traumatische Erfahrungen können über Generationen hinweg weitergegeben werden, vor allem wenn sie verdrängt und verschwiegen werden. Sie wirken im Verborgenen weiter und zeigen sich auch bei den Nachfahren, die diese Erlebnisse selbst nicht mitbekommen haben.

Was bedeutet das für dich und das Verhältnis zu deinen Eltern?

Jetzt, wo deine Eltern älter werden, kann es sein, dass sich die altbekannten Konflikte noch verschärfen. Denn zusätzlich verhalten sie sich immer merkwürdiger. Ein Grund dafür: Die lange verdrängten Erlebnisse und Emotionen kommen wieder hoch.

Ein Blick auf die Kindheitserfahrungen hilft dabei, vieles besser zu verstehen.

Das Sicherheitsbedürfnis und die Befürchtung, in Zukunft nicht mit allem versorgt zu sein, führen zum Beispiel dazu, nichts wegschmeißen zu können. Das sieht man dann an der bis zur Decke vollgestopften Wohnung mit selbst eingekochter Erdbeermarmelade von 1974, verschimmelten Essensresten im Kühlschrank, Zeitungsschnipseln und überall verteilten Notizzetteln.

Oder es zeigen sich unerklärliche Ängste:  vor Donner oder Feuerwerk, der Angst im Dunkeln, davor, jemanden aus den Augen zu verlieren oder vor „dunklen Männern, die vor dem Fenster stehen“.

Was bringt dir dieses Wissen?

Erleichterung:
Vielen hilft die Erkenntnis: „Ich bin nicht alleine, es geht vielen so. Es gibt eine Ursache und eine Erklärung dafür, dass meine Eltern sich mir gegenüber so verhalten und dass ich mich so fühle.“

Verständnis:
Für die eigene Situation. Und für die Situation der Eltern. Gerade bei immer wiederkehrenden Konflikten hilft es, sich diese genauer anzuschauen. Vielleicht entdeckst du ein Muster darin, das dir hilft, das Thema einmal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.

Es lohnt sich, auf eine Spurensuche in die Vergangenheit aufzubrechen. Wir haben dadurch auch die Chance, uns mit unseren eigenen Wurzeln zu befassen. Lass dir einmal erzählen, wie es war, als deine Eltern klein waren, frage nach und finde einen Zugang zu dem Kind, das sie einmal waren, mit all seinen Wünschen, Träumen und Hoffnungen.

Dadurch entwickelst du ein neues Verständnis für das Erleben und Handeln deiner Eltern – und das hilft ihnen und dir.

Versöhnung:
Das Wissen um die Geschichte und die Erlebnisse deiner Eltern machen die Verletzungen und Kränkungen nicht ungeschehen. Aber vielleicht trägt es dazu bei, dich deinen Eltern mit einem neuen, versöhnlichen Blick zu nähern.

Sollte das nicht gelingen, so schaffst du es vielleicht, dich mit der Situation auszusöhnen: „Auch wenn sie mir nicht das geben konnten, was ich mir gewünscht hätte – sie waren mir die beste Mutter, der beste Vater, die sie sein konnten!“ Bei all dem Schmerz hat dieser Gedanke etwas Tröstliches.

Hier findest du weitere Informationen zum Thema Kriegskinder und Kriegsenkel:

 

Welche Erfahrung hast du mit deinen Eltern gemacht. Gibt es Beispiele, die vielleicht mit deren lange zurückliegenden Erlebnissen zu tun haben könnten? Ich freue mich über deinen Kommentar!

Wenn du das Gefühl hast, dass du alleine nicht mehr weiterkommst, dann unterstütze ich dich gerne bei deinem ganz persönlichen Thema.

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